Der Venustransit im schwedischen Lappland


Der Venustransit im schwedischen Lappland - Ein Reisebericht von Stefan Westphal 2012

Nachdem ich bereits den Venusdurchgang am 08.06.2004 in voller Länge beobachten konnte, beschloss ich frühzeitig den nächsten Transit, acht Jahre später, auch zu verfolgen. Bei dem zweiten Ereignis ergab sich allerdings die geografische Schwierigkeit, dass dieser Transit nicht in voller Länge in Deutschland sichtbar war. Des Weiteren war äußerst fraglich, ob überhaupt etwas von diesem Durchgang so kurz nach Sonnenaufgang sichtbar sein würde. 

Kiruna Airport

Aufgrund dieser Umstände entschloss ich mich, an einen Ort zu reisen, von dem aus man den Venustransit von 2012 optimal verfolgen konnte. Es gab für mich von vornherein zwei Alternativen. Zum einen Nordskandinavien, da hier die Sonne in den Sommermonaten nicht untergeht und somit der gesamte Durchgang beobachtbar wäre. Zum anderen Australien, welches wettertechnisch die besten Aussichten auf Erfolg versprach. Letztendlich entschied ich mich für Nordskandinavien, genauer gesagt Kiruna, im schwedischen Lappland.

Zu dieser Entscheidung gelangte ich, als ich im Sommer 2011 auf der AME verschiedene Reiseangebote zum Venustransit 2012 entdeckte. Außerdem nahm ich dort an einem Vortrag teil, in dem die statistischen Wetteraussichten für verschiedene Beobachtungsorte näher erläutert wurden. Kiruna schnitt dabei aufgrund der Lee-Lage im langjährigen Mittel recht gut ab. Somit war mein Entschluss gefallen. Eclipse-Reisen bot damals schon eine entsprechende Reise an, die ich dann auch frühzeitig buchte. In den verbleibenden Monaten baute ich meine Ausrüstung flugreisetauglich aus und übte im Vorfeld ein wenig damit, um in der entscheidenden Nacht optimal vorbereitet zu sein.

Meine Apparatur bestand letztendlich aus einem ETX 90 (90/1200mm Maksutov) welches auf einer modifizierten ADM auf einem kurzen Vixen-Holzstativ montiert war. Das Gesamtgewicht für diese Kombination betrug nur 8kg und war damit für Flugreisen ideal vorbereitet. Als Kamera diente eine Canon EOS 20Da mit programmierbarem Fernauslöser. Im Falle von Störungen führte ich überdies noch eine analoge Canon A1 mit. Am Sonntag, den 03.Juni ging es dann endlich los. Um 7Uhr fuhr ich los zum Frankfurter Flughafen. Dort erfolgte das Zusammentreffen mit unserem Reiseleiter Stefan Krause, sowie weiteren Reiseteilnehmern und anschließend der Abflug nach Kiruna über Stockholm. Die Abreise begann in strömendem Regen, war aprilwetterartig in Stockholm und endete in Kiruna bei strahlendem Sonnenschein und sehr angenehmen 13°C, nach 13 Stunden Reisezeit.

Rathaus von Kiruna

Auf der Fahrt zu unserem Hotel konnten wir uns ein Bild von der kleinen Bergbaustadt Kiruna machen. Kurz darauf bezogen wir unsere supergemütlichen Zimmer und trafen uns zum Abendessen. Noch am selben Abend konnten wir schon verschiedene astronomische Beobachtungen, wie ein Sonnenhalo oder die Mitternachtssonne selber verfolgen. Zugleich wurden schon fleißig Wettermodelle und Prognosen studiert, die zunächst gar nichts Gutes verhießen. Das Schlafen in dieser ersten Nacht fiel schwer, musste man sich doch an die permanente Helligkeit in diesen Breiten etwas gewöhnen.

In den nächsten beiden Tagen wurde uns ein interessantes und abwechslungsreiches Rahmenprogramm zur Einstimmung auf den Venustransit geboten. Am Montag gewannen wir einen aufschlussreichen Einblick hinter die Kulissen der schwedischen Weltraumforschung. Es erfolgte zunächst eine Führung durch das schwedische Institut für Weltraumphysik (IRF) und dessen Labors, bevor wir zum Raketenstartgelände der Esrange weiterfuhren und dort an einem Vortrag über die Forschungen teilnahmen. Anschließend erfolgte eine Rundfahrt und Besichtigung des Betriebsgeländes. Im Verlauf dieses Tages zog sich der Himmel immer mehr und mehr zu. Leichter Pessimismus machte sich breit.

Doch Tromsö war mit rund 400 Kilometern zu weit entfernt und Narvik war umringt von steil aufragenden Bergen, also damit auch ungeeignet für den ersten und zweiten Kontakt. Nun war guter Rat teuer. Einige Mitreisende unterbreiteten Ausweichmöglichkeiten für eine Beobachtung, zum Beispiel der schwedische Hochpass, der noch unter dem Hochdruckeinfluss Nordnorwegens lag oder einige östlich gelegener Grenzorte wie Kaaresuvanto. Auch von Kiruna aus ergab sich eine ungewisse Möglichkeit, den Durchgang zumindest teilweise zu verfolgen. Die Stadt lag an der nördlichen Wolkengrenze und damit war es zumindest theoretisch möglich, unter den Wolken hindurch zu gucken. Von einem hohen Standpunkt aus, in unserem Fall vom eigentlich geplanten Standort, dem Loussovara, hätte einer Verfolgung des ersten und zweiten Kontakts nichts mehr im Wege gestanden.

Für den Rest des Transits, vor allem für den dritten und vierten Kontakt, wurde das Ausweichen auf nördlich und westlich gelegene Orte erwägt. Doch zunächst blieb es nur bei Vermutungen. Die Wetterlage war einfach zu unsicher und sehr schwer vorhersagbar. Der schwedische Wetterdienst war immer etwas pessimistischer ausgelegt als der norwegische. Zu allem Übel streikte zu diesem Zeitpunkt das norwegische Wetteramt auch noch und lieferte somit nicht die präzisesten Vorhersagen.

Erzbergwerk in Kiruna

Am nächsten Tag, den 05.06.12 erfolgte eine Besichtigung des Erzbergwerks von Kiruna in 500 Metern Tiefe. Die Führung und der Vortrag über Geschichte, Technik und Zukunft des schwedischen Bergbaus waren sehr informativ und aufschlussreich. Gegen Mittag kamen wir wieder zurück ans Tageslicht, doch es erwartete uns trübe Bewölkung. Dabei waren es keine zwölf Stunden mehr bis zum ersten Kontakt! Der Bus fuhr uns zurück zum Hotel und beim Mittagessen gab es nur ein Thema: Das Wetter! Nach dem Essen empfahl uns unser Reiseleiter, noch etwas auszuruhen. Das tat ich dann auch. Gegen 16Uhr weckte mich eine merkwürdige Helligkeit.

Ich schob die Jalousie meines Fensters beiseite, sah blaue Lücken zwischen den Wolken und Sonnenschein. Sofort keimte wieder Hoffnung auf. Im Gemeinschaftsraum unseres Hotels hatten einige Reisemitglieder bereits ihre Teleskope für Testbeobachtungen aufgebaut, was ich dann auch tat, direkt vor unserem Hotel auf dem Fußweg. Einige andere Venusreisende taten es mir gleich. Von Norden her lockerte die Bewölkung immer mehr auf, so dass Jubelstimmung aufkam. Eine vorbeifahrende Schwedin hielt mit ihrem Auto an und warf auch einen Blick durch die unzähligen Teleskope, die mittlerweile aufgebaut waren. Der Zweck unseres Aufenthalts hatte sich in Kiruna also herumgesprochen.

Zu unserer Enttäuschung trübte sich der Himmel schon bald wieder ein und mit ihm auch die Stimmung aller Teilnehmer. Stefan Krause, unser Reiseleiter, trommelte uns zur nächsten Lagebesprechung zusammen und erörterte mehrere Möglichkeiten. An der Wetterlage hatte sich noch immer nichts Grundlegendes geändert. Sonne in Norwegen, dicke Wolken bei uns. Weiterhin lagen einige mögliche Beobachtungsorte nördlich und östlich Kirunas ebenfalls unter dichten Wolken. Nach Süden zu fahren, machte auch wenig Sinn, weil dort die Sonne ganz knapp unter ging.

Somit stellte sich der Hochpass in Schweden nach umfangreichen Wetterrecherchen bald als bestmögliche Alternative für uns dar. Stefan Krause wollte die endgültige Entscheidung erst beim Abendessen bekanntgeben. Zunächst fuhr er mit einem Taxi auf den Luossavaara, unserem ursprünglichen Beobachtungsort, um dort einen besseren Überblick über das Wolkengeschehen zu bekommen. Er kam mit ernüchternden Nachrichten zurück.

Wie schon befürchtet, war nach Norden hin der komplette Himmel zugezogen, im Osten sah es sogar noch hoffnungsloser aus. Einzig im Westen zeichneten sich am Horizont helle Streifen ab und die Berggipfel der schneebedeckten Skanden waren in Sonnenlicht getaucht. Nach einstimmigem Entschluss kamen wir überein, alles auf eine Karte zu setzen und Richtung schwedischem Hochpass zu fahren. Dazu bestellte Stefan extra den Bus eine Stunde eher, da uns eine etwa 130km lange Fahrt erwartete. Der Busfahrer wurde uns die ganze Nacht zur Verfügung gestellt, für uns großes Glück.

Starke Bewölkung bei der Abfahrt aus Kiruna

Um 21:45Uhr ging die Fahrt dann los. Das Stativ und die Montierung hatte ich schon vorbereitet, so dass bei Ankunft nur noch Teleskop und Kamera aufgesetzt werden mussten. Jede Minute konnte wertvoll sein. Wir verließen also Kiruna, dass unter einer dichten, schweren Wolkendecke lag und aus der es sporadisch nieselte. Auf der E10 Richtung Narvik kam uns so gut wie niemand entgegen, lediglich wegen einiger Rentiere musste der Bus kurz anhalten, um die Tiere über die Fahrbahn trotten zu lassen. Während der Fahrt kamen wir den schneebedeckten Bergen immer näher. Die Wolkenlücke, die man von Kiruna aus am Horizont sah, wurde größer und ließ gelegentlich die Sonne hindurch blinzeln. Einige weiter entfernte Bergspitzen waren permanent in Licht getaucht und gaben einen wunderbaren Kontrast zu der in eine Dämmerung gehüllte Landschaft ab. Doch die Wolken behielten insgesamt die Oberhand. Unser Reiseleiter fragte zwischendurch den Busfahrer nach einem Standort mit guter Rundumsicht, denn dieser war ortskundig und versicherte uns auch solch einen Platz.

Dort angekommen, etwa 50km von Kiruna entfernt, bot sich uns tatsächlich ein herrlicher Blick über eine typisch skandinavische Landschaft, geprägt von einem noch mit Eisschollen bedeckten See und schneebedeckten Bergketten. Der Himmel war jedoch noch zu stark bewölkt, so dass wir beschlossen weiter zu fahren und unsere Karten voll auszureizen. Wir wussten nicht wie hoch oder wie tief das Gelände vor uns noch sein würde, kurzum: Es war eine Fahrt ins Blaue, etwa eineinhalb Stunden vor dem ersten Kontakt. Die Straße schlängelte sich weiter um die Berge, ein eisbedeckter See nach dem anderen folgte und hin und wieder blinzelte die Sonne hinter den Wolken hervor.

Endlich, 80km von Kiruna entfernt lockern die Wolken auf

Die allgemeine Stimmung aller Venusjäger war angespannt und nervös. Wir brachten uns mit etwas Fachsimpel auf andere Gedanken. Um 23Uhr kamen wir an dem kleinen Wintersportort Björkliden vorbei, der einen hohen Aussichtspunkt besaß. Doch auch von diesem Berg aus war die Lage aussichtslos. Der gesamte Nordosthimmel war bedeckt. Schnell ging es wieder raus aus diesem kleinen Ort, die Zeit drängte. Als wir das Tal endlich durchquerten und den See Torneträsk hinter uns ließen, riss die Wolkendecke dann plötzlich stärker auf und ließ die Sonne zum Vorschein kommen. Freude und Hoffnung kehrten zurück. Wir wollten am liebsten sofort anhalten und uns auf irgendeinem dieser aus der letzten Eiszeit geformten Geröllhügel positionieren. Doch wir fuhren zunächst noch etwas weiter, um einen geeigneten Standort aufzufinden. Die Uhr zeigte bereits 23:30Uhr. Kurz darauf passierten wir eine kleine Bahnstation, die einen großen Vorplatz aufwies und an der außerdem ein Parkplatz, besetzt mit Wohnmobilen, angrenzte. Sofort erfolgte ein einstimmiges Echo, dass dies für uns der ideale Platz sei und der Bus sofort umkehren müsse. Stefan Krause klärte mit dem Busfahrer noch kurz ab, ob die Straße im weiteren Verlauf weiter anstieg für eine noch bessere Sicht. Doch das tat sie offensichtlich nicht. Wir kehrten an einem Parkplatz um und fuhren zu der kleinen Bahnstation sieben Kilometer vor der schwedisch-norwegischen Grenze zurück. Die Wolken lichteten sich immer mehr, der gesamte Nordhimmel war wolkenfrei und die sehr tiefstehende Sonne strahlte in unsere aufgeregten Gesichter. Jedermann hielt seine Ausrüstung startbereit, um so schnell wie möglich den Bus zu verlassen.

Es war 23:40Uhr, höchste Zeit dachte ich!

Unser Beobachtungsort die Bahnstation Vassijaure

Der Bus parkte vor dem Bahngebäude mit der Aufschrift „Vassijaure“, die Türen öffneten sich und wir stürmten heraus, stellten schnell irgendwo unsere Teleskope auf, um auf den großen Moment zu warten. Nach ungefähr fünf Minuten ereilte uns ein riesen Schreck, als wir bestürzt feststellten, dass die Sonne wohl beim ersten Kontakt hinter einem Bergrücken verschwinden würde. Wir hatten unterschätzt, wie weit die Sonne doch noch absinkt. Schon nach wenigen Minuten war nur noch der halbe Sonnenkörper zu sehen. Die obere Sonnenhälfte hätte uns für die Verfolgung des ersten und zweiten Kontakts genügt. Bedauerlicherweise erreichte die Sonne ihren Tiefststand erst einige Minuten später, so dass sie schließlich gänzlich verschwand.

Unser Reiseleiter Stefan Krause versuchte in das Bahngebäude zu kommen, denn oben gab es einen Ausguck in etwa fünf bis sechs Metern Höhe. Es war jedoch nichts zu machen, die Tür blieb verschlossen. Ich sah mich nach einer Erhebung in der Nähe um und erblickte auf der anderen Seite der Gleise ein Plateau, welches sich vor den imposanten, steil in die Höhe aufragenden Berge erstreckte.

Etwa zwanzig Minuten verblieben noch bis zum ersten Kontakt! Sofort, als ich realisiert hatte, dass die Entfernung nicht zu groß war, packte ich mein bereits aufgebautes Teleskop, warf  es über die Schulter und rannte wie vom Blitz getroffen hinüber zu diesem Plateau. Einige andere Beobachter taten es mir gleich, darunter Stefan Krause. Mühselig erklomm ich die Felsen, die nun doch wesentlich größer aussahen, und versank unterwegs teilweise bis zu den Knien im verharschten Schnee.

Endlich ist die Sonne zu sehen, leider noch etwas zu tief

Nach ein paar Minuten hatte ich eine gute Position auf den Felsen erreicht und grübelte, ob ich noch weiter aufsteigen sollte. Doch aufgrund des Tauwetters hatten sich um die Felsen teilweise Rinnsale und größere Pfützen gebildet. Im Morast wollte ich nun kurz vor dem Beginn des Venustransits auch nicht versinken und zog es vor, auf diesem Felsvorsprung zu bleiben. Außerdem war ich völlig außer Atem und das Teleskop musste ja auch noch bedient werden. Kurze Zeit später kamen Stefan Krause und ein weiterer Beobachter auf dem Felsplateau an und gesellten sich zu mir.

Es war nun gegen Null Uhr, die Sonne kroch hinter einem Berg dahin und es sah so aus, als würde sie pünktlich zum Eintritt in einer Spalte zwischen zwei Bergen erscheinen. Die Rechnung ging auf, unser Tagesgestirn platzierte sich genau in dieser Lücke. Das Teleskop war schnell eingestellt und aufgeregt hielt ich nach möglichen Veränderungen am Sonnenrand Ausschau. Zwei Minuten nach dem ersten Kontakt war es mir so, als hätte ich eine ganz leichte Einbeulung am linken oberen Rand der Sonne vernommen, doch die Wahrnehmung war aufgrund des stark wabernden Sonnenbildes in dieser geringen Höhe schwierig.

Um 0:08 Uhr, also vier Minuten nach dem ersten Kontakt erkannte ich die Venus dann zweifelsfrei und schoss auch gleich ein Foto. Auf den ersten Blick erschien die Venus wie ein unregelmäßig geformter Fleck, der die Sonne anknabbert. Leider verschwand die Sonne viel zu schnell hinter dem nächsten großen Bergrücken, allerdings konnte ich zuvor noch zwei Bilder anfertigen, auf denen der vorangeschrittene Eintritt sehr gut zu sehen war. Dann war die Sonne weg, der zweite Kontakt damit unbeobachtbar. Als einzige Genugtuung blieb uns, dass dieser aufgrund der starken Luftunruhe ohnehin nicht optimal hätte wahrgenommen werden können. Unser Reiseleiter schätzte sogleich, dass die Sonne in frühestens eineinhalb bis zwei Stunden wieder zum Vorschein kommen würde. Er sollte recht behalten. Ich erwägte noch kurz einen weiteren Aufstieg, verweilte dann aber doch noch etwas auf diesem Felsplateau.

Mittlerweile rauschte ein mit Eisenerz beladener Zug aus Kiruna in Richtung Narvik durch. Kurze Zeit später kletterte ich dann wieder von den Felsen herab. Wieder an der Bahnstation angekommen, tauschten wir sofort erste Sichtungserfolge untereinander aus. Auch andere Beobachtungsmitglieder hatten Erfolg bei der Sichtung des Venuseintritts. Nun lief die Sonne hinter einem etwa 10km entfernten Bergrücken entlang und sorgte für eine beeindruckende Dämmerungsstimmung. Die höher gelegenen, schneebedeckten Berggipfel hinter uns lagen noch immer im Sonnenlicht, während an dem entfernten, vor uns liegenden Bergrücken Schattenspiele zu beobachten waren. Hin und wieder gewann man den Eindruck, als stiege die Sonne wieder hinter dem Berg hervor. Einige Lichtstrahlen fielen sehr flach über die bergige Landschaft und brachen durch die etwas dunstige Luft. Doch wir mussten uns noch etwas gedulden und nutzten die Zeit für eine Kaffeepause und Gespräche über Beobachtungsmethoden und mitgeführte Ausrüstung.

Mittlerweile war der gesamte Himmel wolkenfrei und von tief strahlendem Blau. Nebenbei nutzte ich die Zeit, um ein paar Fotos von der beeindruckenden Umgebung zu machen. Die Landschaft war karg, nur einige noch kahle Sträucher, deren Knospen gerade aufzubrechen begannen, wuchsen zwischen den Felsen. Vereinzelt blühten ein paar „Frühblüher“ in den windgeschützten Spalten der Steine. Die Berge um uns herum waren überwiegend noch komplett schneebedeckt. Auch in unserer Talsenke lagen noch einige tiefe Schneereste. Die Temperatur lag um den Gefrierpunkt. Es war jedoch angenehm, da die Luft sehr trocken war.

Gegen 02:15Uhr kam die Sonne schließlich wieder hinter dem Berg hervor und sofort nahm jeder von uns wieder seine Arbeit auf. Die Venus war schon ein ganzes Stück weiter gewandert vor der Sonnenscheibe. Die Sicht war horizontbedingt noch immer nicht optimal, die Venus waberte sehr stark und sah eher wie ein unregelmäßig geformter, matschiger Fleck aus. Zur Mitte des Transits um 03:30Uhr wurde die Sicht besser. Der Himmel war absolut klar und wir konnten den gesamten Verlauf des Venusdurchgangs verfolgen. Zwischen den einzelnen Aufnahmen beobachtete ich häufig das Ereignis nur mit einer einfachen Sonnenfinsternisbrille. Dabei dachte ich unweigerlich an die Transite der Vergangenheit, an die Schicksale, großen Expeditionen und lebensgefährlichen Abenteuer, denen sich die Astronomen rund um den Globus aussetzten, nur um genaueres über die Ausmaße unseres Sonnensystems zu erfahren. Ab 06:30Uhr rückte dann das interessante Finale des Transits immer näher, der Austritt. Leichte Schleierbewölkung zog auf und trübte den 3. Kontakt leicht ein. Allerdings konnte ich den optischen Test mit dem „schwarzen Tropfen“ erfolgreich durchführen. Es war nichts zu sehen, weder visuell noch fotografisch. Der dritte Kontakt war sehr schön definiert. Der Abstand des scharfen Venusscheibchens zum Sonnenrand wurde immer kleiner, bis der Planet den Rand schließlich zu berühren schien. Dann erfolgte der rasche Austritt.

Um 06:53Uhr verließ die Venus die Sonne am rechten, oberen Rand. Dies war dann das letzte derartige Ereignis für uns heute lebende Menschen und auch noch für folgende Generationen bis zum Jahr 2117. Mit diesem Transit endete auch ein vollständiger Zyklus von fünf Durchgängen, begonnen beim Venusdurchgang vom 03.06.1769.

Bei mir mischte sich etwas Wehmut mit riesiger Freude, dieses Naturphänomen vor so einer wunderschönen Naturkulisse fast in seiner gesamten Länge gesehen zu haben. Ich nahm an, dass es auch anderen Teilnehmern so ergangen war, denn alles war nachdenklich und sehr still. Ein paar Minuten nach dem Transit gab es dann noch ein Gruppenfoto vor den schneebedeckten Bergen Skandinaviens.

Danach bauten wir unsere Ausrüstung ab und verstauten sie im Bus. Nach dem Frühstück traten wir die Heimreise nach Deutschland an. Gegen 20Uhr kam ich wieder am Frankfurter Flughafen an und fuhr erschöpft aber immer noch schwer beeindruckt von der abenteuerlichen Reise nach Hause.


Autor: Stefan Wesphal


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